90 Jahre TSV Fortuna Götzingen

15.07.2016 08:48 von Rechner Uli (Admin)

ein Bericht von Walter Jaufmann

Götzingen. (jm) „Fußball ist das erfolgreichste Theater der Neuzeit“, witzelte einst etwas ironisch Helmut Karasek, doch mit Blick auf die gerade zu Ende gegangene EM kann man ihm durchaus zustimmen. Wenn heute ab 17,30 Uhr beim Jubiläumsfest des TSV Fortuna Götzingen anlässlich seines 90-jährigen Bestehens der Ball rollt, wird sich das über drei Tage auch auf Vereinsebene bestätigen, und nicht zuletzt beim Rückblick auf drei Generationen Fußball-Tradition in Götzingen. Die 14 Sportfreunde, die im Mai 1926 mutig vorausschauend den „SV Grün-Weiß Fortuna 1926 Götzingen“ gründeten, würden sich wohl mächtig wundern, was aus ihrer damals in einer 780 Einwohner zählenden Landgemeinde sicher visionären Idee in neun Jahrzehnten geworden ist. Mit Genugtuung blicken die heute Verantwortlichen und die Vereinsmitglieder zurück auf das was sich in 90 Jahren daraus entwickelte.

 

Tiefschürfende Gedanken dürften den Vereinsgründern – das waren die Sportfreunde Max Blatz, Alfons Emmert, Eugen Frauenschuh, Lorenz Holderbach, Philipp Holderbach, Wilhelm Künkel, Hugo Matt, Artur Morsch, Wilhelm Reinhard, Alfred Schifferdecker, Alfons Schwarz, Heinrich Schwarz, Josef Schwarz und Wendelin Ühlein – sicher fremd gewesen sein, sie wollten sich einfach eine Basis zum Fußballspielen schaffen. Und das unter für uns heute kaum vorstellbaren Bedingungen: Es gab keinerlei ideelle oder finanzielle Unterstützung, vielmehr mussten sie Skepsis und Ablehnung in der Kommune und den Familien überwinden, mussten bei kaum gegebenen Verdienstmöglichkeiten alles selbst finanzieren. Der Start war fraglos recht schwierig, der Weg oft steinig. Der erste Sportplatz war auf holprigem Ödland beim Altheimer Berg. Zu Auswärtsspielen ging es per Pedes, Fahrrad oder Pferdefuhrwerk. Trainiert wurde umständehalber nicht, es wurde halt sonntags gespielt. 1930 konnte am heutigen Standort ein Sportplatz in Ortsnähe gestaltet werden. 1939 kam es aufgrund der politischen Entwicklung zur Vereinsauflösung. Doch der „Fußball-Bazillus“ überlebte den Zweiten Weltkrieg und mit Erlaubnis der amerikanischen Militärregierung kam es am 3. Juni 1946 zur Wiedergründung um „. . . in demokratischem Sinne für die Neugestaltung der deutschen Jugend im Landkreis Buchen zu wirken . . .“. 

 

Doch der Neubeginn war wieder eine große Herausforderung, waren die Umstände doch noch dramatischer als am Beginn. Da kamen Sportfreunde nicht mehr aus dem Felde zurück oder waren in die Fremde verschlagen worden, Geld fehlte überall, der Tauschhandel blühte, nichts ging ohne die Erlaubnis der Militärregierung. An allem herrschte Mangel, da mussten Rinderhäute bereitgestellt werden, um überhaupt Fußbälle oder Fußballschuhe zu bekommen, aus nicht mehr benötigten  Hakenkreuzfahnen wurden kurzerhand Trikots geschneidert, es gab ja kaum welche zu kaufen. Diese waren rot – und der Anlass zur Änderung der Vereinsfarben auf Rot-Weiß! Erst nach der Währungsreform 1948 besserte sich allmählich die Situation.

 

1946 musste man wieder auf dem Ödland am Altheimer Berg beginnen. Mit Unterstützung der Militärregierung konnten die Fußballer dann 1952 wieder zum heutigen Standort „umsiedeln“. Mit Energie und Ausdauer und großer Eigeninitiative wurden viele Hürden genommen, kam man voran. 1956 entschloss man sich zur Namensänderung auf TSV und zur Öffnung auch für andere Sportarten. Besondere Meilensteine in der Vereinshistorie sind: 1957/59  DER Bau der Turn- und Festhalle, 1970 die Sanierung und Erweiterung des Sportgeländes, Anlage eines Trainingsplatzes sowie Installation der Flutlichtanlage, 1977/80 der Bau des Vereinsheimes.           

 

Interessant ist anlässlich des Vereinsjubiläums natürlich auch ein Blick in die sportliche Historie, die sich bei der Fortuna insbesondere vor dem Hintergrund der ländlichen Struktur und der Götzinger Einwohnerzahl wohl sehen lassen kann. Während in den Gründerjahren nur Freundschaftsspiele ausgetragen wurden, startete der TSV nach der Wiedergründung sofort in den Verbandsrunden. Bescheiden war allerdings das Ergebnis mit 10:49 Toren und 5:19 Punkten in der ersten Runde 1946/47 in der B-Klasse. Mit Fleiß und Ausdauer kam man aber voran, 1949/50 erreichten die Fortunen mit 40:15 Toren und 29:11 Punkten bereits einen sehr guten zweiten Platz. In den seither absolvierten Verbandsrunden spielte der TSV 12 Jahre in der B-Klasse, 34 Jahre in der A-Klasse, 19 Jahre in der Bezirksliga und 3 Jahre in der II. Amateurliga, der heutigen Landesliga, sowie jetzt 2 Runden in der Kreisliga. 5 Mal konnte die Fortuna die Buchener Stadtmeisterschaft erringen.

 

Der Jugendarbeit widmet man beim TSV von je her grosses Augenmerk. Vielfach konnten auf diesem Felde Staffel-, Stadt- und Kreismeisterschaften erreicht werden. In jüngster Zeit ist allerdings die Aufrechterhaltung des Spielbetriebes im Jugendbereich leider nur noch durch Spielgemeinschaften mit Nachbarvereinen realisierbar. Mädchenfußball wird seit 2008 betrieben. In der 1964 begründeten Turnabteilung wird Damen- und Herrenturnen sowie Vater-Mutter-Kind-Turnen angeboten.

 

Außer durch Sport bringt sich der TSV auch im gesellschaftlichen und kulturellen Bereich in die Dorfgemeinschaft ein. Neben den obligatorischen Sport- und Jubiläumsfesten erwarb sich der TSV ein besonderes Image durch seine Sommermärchen-Veranstaltungsserie mit ganz individuell organisierten Sport- und Benefiz-Events unter wechselnden Themen mit „Reisen“ auf alle fünf Kontinente. Ein Alleinstellungs-Merkmal erwarb sich der TSV außerdem durch die heuer bereits zum  dritten Male mit steigendem Zuspruch ausgetragene „Strohballen-WM“.

 

Basis und Garant für sportliche Erfolge und positive Entwicklung über 90 Jahre war ohne Frage das ehrenamtliche Engagement zahlreicher Mitstreiter im Verein. Nur dank ihres uneigennützigen Einsatzes über drei Generationen hinweg konnten die vielseitigen auftretenden Probleme während dieser Ära immer wieder gemeistert werden. Die Hauptverantwortung trugen dabei immer die Vorsitzenden, die meist auch in der Motivation Schwerstarbeit leisten mussten. In Anerkennung ihres vorbildlichen Engagements seien sie daher auch namentlich benannt: 1926 bis 1933 - Josef Schwarz, 1946 bis 1947 - Alfred Leist, 1948 - Josef Schwarz, 1949 - Alfred Schwarz, 1950 - Heinrich Müssig, 1951 bis 1955 - Oskar Holderbach, 1955 bis 1960 - Hans Kaidel, 1960 bis 1965 - Hermann Neugeborn, 1965 bis 1968 -  Hans Kaidel, 1968 bis 1973 - Wilhelm Aumüller, 1973 bis 1994 - Walter Künkel, 1995 bis 2000 - Dieter Müller, 2000 bis 2012 Wilfried Fischer. In Anbetracht der gesellschaftlichen und sportpolitischen Veränderungen entschloss man sich 2012 zu einer strukturellen Aktualisierung und zur Verteilung der Führungsverantwortung auf mehrere Schultern. Seit 2012 nimmt nun ein Führungs-Quartett – Ulrich Rechner (Verwaltung), Martin Schwarz (Sport), Erwin Holderbach (Finanzen), Thilo Jaufmann/Martin Hornung (Event) – die Führungsaufgaben des Vereins wahr.  Ihnen und ihren Mitstreitern gebührt für ihr Engagement Dank und Anerkennung der Sportler, Sportfreunde und der Dorfgemeinschaft. Und abschließend bleibt die Hoffnung,  dass man beim TSV FORTUNA GÖTZINGEN noch für viele Jahre immer die richtigen Leute zur richtigen Zeit und am richtigen Platz verfügbar haben wird, um allen Veränderungen und Wirrnissen im Zeitenverlauf zum Trotz einen wichtigen Beitrag zum Nutzen der Bürger in der Dorfgemeinschaft zu erbringen, damit der Fußball rollen und Sport betrieben werden kann.

 

Heute startet zum Festauftakt das Turnier um die Stadtmeisterschaft 2016. Drei Partien werden heute ausgetragen. Der erste Anpfiff erfolgt um 17.30 Uhr zur Partie SV Hettigenbeuern – FC Hettingen. Es folgen dann noch SV Waldhausen – SpVgg Hainstadt (18,45 Uhr) und FC Bödigheim – VfL Eberstadt (20,00 Uhr).    jm  

 

 

 

 (auf dem beigefügten Bild fehlen Renate Lorenz, Jürgen Rösch und Gert Schwarz)

 

 

die aktuelle Vorstandschaft des TSV Fortuna

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